Chip im Auge

Erstmals gelingt es durch die Kombination von Fortschritten in der Mikroelektronik, Signalverarbeitung, Chip-Design und der Medizin aktive Implantate für das Auge, so genannte Retina Implantate, zu entwickeln. Damit soll Patienten, die an bestimmten Netzhauterkrankungen völlig erblindet sind ein orientierendes Sehvermögen wieder ermöglicht werden. In Europa wurde nun das technisch ausgereifteste Produkt entwickelt und kommt nun erstmals am Menschen zum Einsatz.


Lichtblicke für Blinde
Ao. Prof. Dr. Michaela Velikay-Parel
Augenklinik - Medizinische Universität Graz

Menschen, die voll im Leben stehen werden innerhalb von Jahren blind und damit aus ihrem normalen Leben gerissen. Dieses schwere Schicksal erleiden jährlich viele Menschen in Österreich. Die Ursachen sind vielfältig und einer der häufigsten sind Netzhauterkrankungen.
Für diese Betroffenen gibt es wieder Hoffnung.
Erstmals gelingt es durch die Kombination von Fortschritten in der Mikroelektronik, Signalverarbeitung, Chip-Design und der Medizin aktive Implantate für das Auge, so genannte Retina Implantate, zu entwickeln. Damit soll Patienten, die an bestimmten Netzhauterkrankungen völlig erblindet sind ein orientierendes Sehvermögen wieder ermöglicht werden. In Europa wurde nun das technisch ausgereifteste Produkt entwickelt und komm nun erstmals am Menschen zum Einsatz.
Der normale Sehvorgang ist sehr komplex. Das das Licht fällt auf die Sinneszellen, so genannte Photorezeptoren, die das Licht in Nervenreize umwandelt. Diese werden dann an andere Nervenzellen der Netzhaut weitergeleitet. Bereits bei diesem Schritt findet schon ein Umbau der Information und eine Reduktion auf ein Hundertstel statt. Diese wird dann wird über den Sehnerven an das Gehirn gesendet. In weiterer Folge wird die Information in verschiedenen Arealen verarbeitet, wodurch das Bild seine Bedeutung bekommt und damit das Erkennen stattfindet. Fallen die Sinneszellen durch eine Schädigung aus, erblindet die Person. Es bleiben jedoch die anderen Nervenzellen der Netzhaut und die nachfolgenden, am Sehvorgang beteiligten Strukturen erhalten. 1996 konnte erstmals nachgewiesen werden, dass diese Strukturen nicht nur physisch vorhanden, sondern auch noch funktionstüchtig sind. Weltweit beschäftigten sich daraufhin viele Forscher Implantate zu entwickeln, die Blinden wieder eine Art Sehen zurückgeben sollen indem sie die noch intakten Zellen im Sehvorgang nutzen.
Das Prinzip des Implantatsystems ist, mit Hilfe elektrischer Reizungen die Netzhaut zu stimulieren, um so Lichtwahrnehmungen hervorzurufen: Ein kleiner an einer Spezialbrille montierter Kamerachip nimmt die Bildinformation auf. Mittels Kabel wird diese Information dann zu einem Taschen- Prozessor umgeleitet, wo sie umgewandelt, reduziert und zu Stimulationsbefehlen umgearbeitet wird. Diese Information wird dann mittels Kabel wieder an die Spezialbrille zurückgeleitet, wo die Daten dann drahtlos in das Auge gesendet werden. In das Auge wird das Retina Implantat eingesetzt, bestehend aus einem Empfängerteil und einem Stimulationsteil (Elektroden). Hier werden die Daten empfangen und in elektrische Impulse umgewandelt und an den an der Netzhaut fixierten Stimulationsteil weitergegeben. Der Patient soll damit wieder Umrisse wahrnehmen können.
Voraussetzung um mit solchen Implantaten ein Sehen zu erlangen, ist aber eine Erkrankung bei der es lediglich zu einem Ausfall der Sinneszellen gekommen ist. Alle anderen am Sehvorgang beteiligten Strukturen müssen noch intakt sein.
Der Einsatz von Langzeitimplantaten ist weltweit medizinisches Neuland. An der Entwicklung waren viele Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Gebieten der Technologie, Industrie, und Medizin beteiligt. Erste Implantationen erfolgen nun an der Medizinischen Universität Graz, wo ein wesentlicher Beitrag zur Erforschung dieses Implantates an der Augenklinik Graz von Frau Prof. Velikay-Parel und ihrem Team geleistet wurde. Für sie ist diese Forschungsaufgabe eine echte Pioniersarbeit.
Das Implantat wird zunächst mit einer aufwendigen Operation in das Auge eingesetzt. Dann beginnt eine neue Herausforderung: Da die elektrische Reizung der Netzhaut einen neuartigen Reiz darstellt, muss das Gehirn erst lernen diese Reize zu einem sinnvollen Bild zusammenzufügen.
In der Augenheilkunde gab es bislang keine geeigneten Testmethoden, um die Verbesserung dieses neuen Sehens und deren praktische Bedeutung überprüfen können. Es mussten daher auch an der Grazer Augenklinik dafür spezielle Tests entwickelt werden, die in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Blindenverbänden und Behinderteninstituten (Odilieninstitut) erstellt und für die Praxis geprüft wurden. Diese Testserie ist darauf abgezielt, zunächst die Werte vor der Implantation und dann den Verlauf der Sehentwicklung mit dem Implantat zu ermitteln.
Damit dieses Forschungsprojekt auch verwirklicht werden kann und ein geeignetes Umfeld bekommt, wurde an der Medizinische Universität Graz im Zentrum für Medizinische Forschung ein weltweit einzigartiges Sehlabor, das Artificial Vision Center (AFC), eingerichtet. Das Labor, in dem die ersten Implantate von dem Forschungsteam erprobt werden, hat folgende Aufgaben: die Feinadjustierung der elektrischen Reizung durch das Implantat, das Training und die Evaluierung der Sehleistung, die Erstellung von individuellen Trainingsprogrammen und die Messung des praktischen Gewinns der erlangen Sehleistung. Im AFC erfolgt also die über einige Monate dauernde Rehabilitation des Sehens mit dem Training und der Überprüfung.
Praktisch kann man sich das so vorstellen: Die Implantation wird an der Grazer Augenklinik durchgeführt. Nach einer Einheilungsphase erfolgen die weiteren Schritte im speziellen Sehlabor. Zunächst müssen die elektrischen Reize individuell an jeden einzelnen Patienten angepasst werden um eine optimale Information zu liefern. Danach muss der Patient erst an die neuen Eindrücke gewöhnt werden. Dafür ist ein mehrstufiges Trainingsphase notwendig. Als Erstes wird das Erkennung von Lichtpunkten und einfachen Mustern trainiert. Für den Patienten entsteht dadurch ein Seheindruck im zweidimensionalen Raum. Die Überprüfung der Sehleistung erfolgt an Hand von speziellen an eine große Wand projizierten Punkten oder Muster, einem Testsystem das eigens dafür entwickelt wurde. Die anschließenden Übungsschritte dienen Erfahrung des dreidimensionalen Raums. Blinde Menschen können besitzen ein besonders gutes Vorstellungsvermögen und durch Ertasten gut Gegenstände erkennen. Wenn man dann zum Beispiel den implantierten Patienten einen Gegenstand in die Hand gibt, so können nun die ertastete Erfahrung mit ihren neuen Seheindrücken in Zusammenhang gebracht werden. Dadurch gewinnt das neue Sehen eine praktische Bedeutung. Ziel ist es dem Patienten die Orientierung in fremder Umgebung zu erleichtern. Es wurde dafür auch eigens der Grazer Labyrinth Test erfunden um diese neue Fähigkeit zu messen. Er besteht aus verschiedenen verwinkelten Gängen, in dem leichte Hindernisse aufgestellt sind. Je schneller der Patient das Labyrinth durchquert und je weniger Hindernisse er dabei berührt umso größer ist seine Orientierungsfähigkeit. Er gibt also genau über den praktisch erzielten Fortschritt Auskunft. Zur Erleichterung dieses Lernvorganges werden zusätzlich individuell abgestimmte Trainingsprogramme erarbeitet um so rasch wie möglich eine Sehverbesserung zu erzielen. Im Artificial Vision Center steht somit dem Patienten erstmals ein volles Rehabilitationsprogramm zur Verfügung.
Zurzeit ist es nicht möglich mit Hilfe des Implantates eine Sehleistung zu erzeugen, die ein Gesichtserkennen oder Lesen möglich macht. Obwohl das Implantat nur eine reduzierte Form des Sehens bieten kann, wäre es aber für einen Blinden ein großer Fortschritt wieder Licht und Umrisse erkennen zu können und damit ein gewisses Maß an Unabhängigkeit wieder zurück zu gewinnen.
Mit der Erprobung der ersten Implantate befindet sich die Medizinische Universität Graz im internationalen Spitzenfeld der Forschung auf diesem Gebiet. Gelingt das Forschungsvorhaben, so wäre das ein wichtiger Durchbruch in der Augenheilkunde.

Artificial Vision Center

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